Dossier
Alleinerziehende in ländlichen Räumen
Sylvia Keim-Klärner | 07.03.2025
Im Spagat zwischen Beruf und Familie sind Alleinerziehende häufiger von Armut bedroht. In ländlichen Räumen erschwert fehlende Infrastruktur ihren Alltag zusätzlich. Eine Befragung des Thünen-Instituts beleuchtet ihre Situation.

Alleinerziehende mit ihren Kindern sind in Deutschland eine weit verbreitete Familienform, auch in ländlichen Räumen. Der Großteil dieser Alleinerziehenden sind Frauen. Sie organisieren den Familienalltag und arbeiten oft in Teilzeit, in Minijobs oder sind nicht erwerbstätig. Das erhöht ihr Armutsrisiko. Was bedeutet es für Alleinerziehende in ländlichen Räumen zu leben? Verschärfen sich die Herausforderungen, wenn der Zugang beispielsweise zu öffentlichen Verkehrsmitteln, Arztpraxen und Supermärkten eingeschränkt ist? Werden ländliche Räume so zu einer Raum- und Armutsfalle? Forschende am Thünen-Institut für Lebensverhältnisse in ländlichen Räumen haben Alleinerziehende in strukturschwachen ländlichen Räumen in Ostdeutschland dazu befragt.
Für Alleinerziehende ist es wichtig mobil zu sein
Die Befragten erleben zahlreiche räumliche Einschränkungen im Alltag, besonders bei den beruflichen Möglichkeiten. Viele haben Schwierigkeiten, einen familienfreundlichen Arbeitsplatz zu finden, da angebotene Stellen oft Arbeitszeiten erfordern, die mit der Kinderbetreuung kollidieren. Lange Anfahrtswege erschweren die Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Zudem fehlen oft nahegelegene Einkaufsmöglichkeiten, Freizeiteinrichtungen, Schulen und Kinderbetreuung. Besonders kritisch wird die mangelnde kinderärztliche Versorgung gesehen. Viele Kinderärzt*innen gehen ohne Nachfolge in den Ruhestand. Um ihren Alltag dennoch erfolgreich zu bewältigen, müssen Alleinerziehende weite Strecken zurücklegen. Dafür ist ein eigenes Auto meist unumgänglich, jedoch für viele finanziell schwer tragbar. Häufig wird die hohe Mobilität als aufwändig, teuer und belastend empfunden.
„Wir haben eigentlich immer Fahrerei in dem Sinne. Und wenn ich mal nicht fahren muss, dann versuche ich zur Ruhe zu kommen, indem ich etwas schlafe, weil ich dann auch einfach (seufzt) platt bin.“
Stephanie Mohn*, 2 Kinder (12 und 18 Jahre) , *anonymisiert
Die Nähe zur Natur und soziale Netzwerke sind wertvolle Ressourcen
Trotz der strukturellen Schwächen der ländlichen Region sind die meisten befragten Alleinerziehenden mit ihrem Leben zufrieden. Sie schätzen die Natur, die Ruhe, den Freiraum und ihren Garten – Faktoren, die sie im stressigen Familienalltag entlasten und kostengünstige Möglichkeiten für Freizeit und Selbstversorgung bieten. Insbesondere während der Covid-19-Pandemie wurden der eigene Garten und der schnelle Zugang zur Natur als wertvolle Ressourcen erlebt.
Zudem wird die ländliche Umgebung als sicher für die Kinder wahrgenommen, sei es in Bezug auf Verkehr, Kriminalität oder das allgemeine Vertrauen in die Nachbarschaft. Viele Alleinerziehende können auf ein starkes soziales Netzwerk aus Verwandten, Freund*innen und Bekannten zurückgreifen, das sie bei den täglichen Herausforderungen unterstützt. Sie haben Wege gefunden, mit räumlichen Einschränkungen umzugehen, etwa durch Online-Shopping, Fahrgemeinschaften oder das Kombinieren von Erledigungen. Für sie bedeutet das Leben in einer strukturschwachen ländlichen Region nicht per se eine Raum- und Armutsfalle, vielmehr bietet es auch Chancen, mit wenig Geld gut auszukommen.
„Die Löhne sind hier immer noch geringer. Es wäre schön, wenn ein bisschen mehr an kulturellen Sachen hier wäre. Aber ich denke am Ende des Tages ist eigentlich alles gut hier in der Gegend. Ich kann meine Kinder im Dunkeln zum See schicken, ohne mir Gedanken machen zu müssen“
Katrin Schmitt*, 3 Kinder (8, 15 und 17 Jahre). *anonymisiert
Weitere Informationen:
Keim-Klärner S, Bernard J, Decker A (2025)How do single mothers evaluate and cope with living in rural peripheries? Insights into the interplay of social and spatial disadvantage. Rural Sociology: Online First, Jan 2025, DOI:10.1111/ruso.12586