Dossier
Die deutsche Fischereiflotte: Wenige Große und viele Kleine
Jörg Berkenhagen | 28.11.2024
Wie ist die deutsche Fischerei strukturiert? Welche Fahrzeuge fangen welche Arten? Welches sind die Fanggebiete? Wie hat der Brexit die Situation für die EU-Flotten verändert? Wissenswertes zur deutschen Fischereiflotte.
Fischer ist nicht gleich Fischer. So heterogen wie ihre Ausstattung – von modernen hochseetauglichen Schiffen bis zu traditionellen Kuttern mit handwerklicher Fangtechnik –, so vielfältig sind auch ihre wirtschaftliche Lage und ihre Perspektiven.
Die deutschen Meeresfischer landen im In- und Ausland jährlich Fisch in der Größenordnung von 200.000 Tonnen an. Dem steht ein fünfmal so hoher Inlandsverbrauch gegenüber – rund 1,15 Mio. Tonnen; der Pro-Kopf-Verbrauch in Deutschland bewegt sich um die 13 kg Fanggewicht. Zum Vergleich: Der weltweite Durchschnitt liegt bei rund 21 kg Fanggewicht.
Die deutsche Fischereiflotte besteht aus rund 1.150 Fahrzeugen und wird von etwa 750 Unternehmen betrieben. Dies erscheint wenig angesichts der Präsenz der Fischerei in den Medien. Sieben Hochseetrawler, die internationalen Wirtschaftsunternehmen gehören, landen allein schon überschlägig drei Viertel der deutschen Fänge an. Das Gros der deutschen Fischereiflotte besteht aus rund 850 kleinen Stellnetzkuttern bis 12 m Länge, die in Sichtweite der Ostseeküste operieren und nicht einmal 2% der deutschen Fänge beisteuern. Dazwischen gibt es noch rund 180 Baumkurrenfahrzeuge für den Krabbenfang in der Nordsee sowie knapp 50 Schiffe von 10 bis 40 m Länge, die mit Schleppnetzen in Nord- und Ostsee unter anderem Kabeljau, Plattfische und Seelachs fangen.
Die Anzahl der abhängig Beschäftigten in der Meeresfischerei liegt deutschlandweit bei rund 550. Hinzu kommen 580 Selbstständige (Stand: 2023).
Eine kurze Charakteristik der deutschen Fischereiflotte haben wir nachfolgend zusammengestellt:
Man unterscheidet zwischen pelagischer (= in der Freiwasserzone) und demersaler (= nahe dem Meeresgrund) Hochseefischerei.
In der pelagischen Fischerei waren 2023 drei große (über 80 m) und zwei kleinere (um 55 m) Hochseefahrzeuge registriert, die in der Nordsee und den westbritischen Gewässern hauptsächlich Hering, Stöcker, Blauen Wittling und Makrele fangen. Auch Fangreisen in die Gewässer von Mauretanien und der Westsahara sowie vereinzelt in den Südpazifik wurden in den letzten Jahren unternommen.
Der demersalen Hochseefischerei waren 2023 vier Fahrzeuge zwischen 80 und 90 m Länge zugeordnet, die fast ausschließlich im Nordatlantik operieren. Hauptzielarten sind Schwarzer Heilbutt und Rotbarsch in grönländischen Gewässern sowie Kabeljau, Seelachs und Schellfisch im Nordost-Atlantik.
Die Trawler stehen im Wettbewerb mit anderen global operierenden Unternehmen und sind durchweg sehr modern ausgerüstet – drei der vier demersalen Fahrzeuge sind Neubauten. Ausgehend vom Durchschnitt der letzten Jahre, gilt die deutsche Hochseefischerei gegenwärtig als profitabel. Die demersalen Hochseetrawler sind jedoch stark von Quoten abhängig, die im Rahmen von Drittlandabkommen mit Grönland beziehungsweise Norwegen zur Verfügung stehen. Der pelagische Sektor ist aktuell stark von der Quotensenkung in britischen Gewässern infolge der Brexit-Verhandlungen betroffen, die das wirtschaftliche Ergebnis belastet. Der jüngste Hochseetrawler wurde so ausgerüstet, dass er sowohl pelagisch als auch demersal fischen kann, um flexibler auf Änderungen bei den Fangmöglichkeiten reagieren zu können.
Im Vergleich zur Hochseefischerei sieht die Situation bei den Stellnetzkuttern ganz anders aus. Es handelt sich um kleine Fahrzeuge unter 12 m Länge, die fast ausschließlich in der Ostsee operieren. Ihre Zahl hat in den vergangenen zehn Jahren stark abgenommen; 2023 waren noch etwa 850 Fahrzeuge registriert.
Ein wesentlicher Grund für den Rückgang ist, dass in der Ostsee die Fangquoten für die wichtigen Zielarten Dorsch und Hering in den letzten Jahren drastisch gesunken sind. Nur ein kleiner Teil der Kutter wird im Haupterwerb betrieben. Häufig leben die Fischer maßgeblich von anderen Tätigkeiten oder betreiben die Fischerei lediglich als Hobby. Häufig besitzt ein Fischer auch mehrere Fahrzeuge, die zum Teil für unterschiedliche Einsatzzwecke konzipiert sind. Bislang wird der Fang der Stellnetzkutter nur in Ausnahmefällen als regionale Spezialität vermarktet, mit den entsprechenden Möglichkeiten, daraus einen Mehrwert zu generieren. Die wirtschaftliche Lage der Stellnetzfischerei ist seit Jahren angespannt und für viele der noch aktiven Betriebe existenzbedrohend geworden. Die Quoten für Ostseehering und -dorsch lagen auch 2024 weiterhin auf sehr niedrigem Niveau.
Da nicht zu erwarten ist, dass sich die kritische Situation bei den Herings- und Dorschbeständen der Ostsee in näherer Zukunft bessert, werden von der Politik neben Überbrückungshilfen auch Fördergelder für die endgültige Stilllegung von Kuttern bereitgestellt. Es ist abzusehen, dass dadurch auch die Zahl der Häfen abnehmen wird, in denen Stellnetzkutter liegen – mit negativen Auswirkungen auch auf andere Wirtschaftsbereiche wie den Tourismus.
Die Krabbenkutter werden fast ausschließlich als Familienbetriebe geführt – ein Schiff je Eigner. Die vermarkteten Fänge bestehen fast ausschließlich aus der Nordseegarnele (Crangon crangon, „Nordseekrabbe”), einer Art, für die keine Quote als Höchstfangmenge existiert und die in bedeutenden Mengen nur in der Deutschen Bucht zu fangen ist. Allerdings ist die vermarktbare Menge begrenzt. Außerdem ist der Großhandel quasi monopolistisch organisiert, und die Macht der Fischer am Markt ist trotz des Trends, sich in Erzeugergemeinschaften zu organisieren, weiter nur gering.
Krabbenfischer mit Baumkurrenfahrzeugen können, wenn der Krabbenfang gerade unwirtschaftlich ist, nur in Einzelfällen auf andere Fischarten ausweichen, weil die meisten dafür keine Quoten haben. Einzelne Krabbenfischer haben sich parallel der Fischerei mit Fallen zugewandt, um die nicht quotierten Arten Taschenkrebs und Hummer zu fangen. Die Krabbenfischerei hat sich über die Jahre bei starken Schwankungen als profitabel dargestellt. Nach guten Vorjahren waren 2019 bis 2021 von starken Gewinneinbrüchen gekennzeichnet. Verringerte Fangmenge konnten durch höhere Preise nicht kompensiert werden. 2022 und 2023 standen unter dem Zeichen hoher Treibstoffpreise, stellten sich aber auskömmlicher dar als die Vorjahre. Die Zahl der Betriebe hat in dem Zuge weiter abgenommen. 2023 waren noch rund 160 Krabbenkutter registriert.
Mittlerweile beträgt das Durchschnittsalter der Krabbenkutter rund 44 Jahre. Seit 2004 gab es ganze sechs Neubauten, das jüngste Fahrzeug ist von 2010. Die für einen Neubau notwendige Summe von deutlich über einer Million Euro wagt kaum ein Betrieb zu investieren, weil die Aussichten als zu unsicher angesehen werden. Verstärkt wurde dies mit der Diskussion um den Ausschluss grundberührender Netze in Meeresschutzgebieten.
2023 waren 40 Schleppnetzfahrzeuge unter 40 m Länge registriert. In der Nordsee fangen sie vor allem Seelachs, Kabeljau, Schellfisch, Hering und Scholle, in der Ostsee waren die Hauptzielarten Hering und Dorsch. Aufgrund der historisch niedrigen Quoten für die Ostseebestände ist diese Fischerei jedoch quasi zum Erliegen gekommen. Mit diesen Arten stehen die Fischer im Wettbewerb sowohl mit Betrieben anderer Nationen, die in den gleichen Fanggründen von Nord- und Ostsee unterwegs sind, als auch mit jenem Fisch, der aus anderen Fanggebieten stammt.
Bei der Grundschleppnetzfischerei ist eine Konzentration in wenigen Erzeugergemeinschaften zu beobachten, in denen die Fischer ihre Interessen gebündelt vertreten können. So ließen sich einzelne Fischereien mit dem Nachhaltigkeitssiegel MSC (Marine Stewardship Council) zertifizieren, wodurch sie ihre Ware besser vermarkten können. Durch modernes Management werden die verfügbaren Quoten effizient intern verteilt und ausgefischt. Darüber hinaus verarbeiten und vermarkten diese Organisationen ihre Fänge teilweise selbst und generieren so zusätzlichen Mehrwert. Durch diese Maßnahmen haben die Grundschleppnetzfischer ihre Marktposition und ihre Kostenstruktur verbessern können. Zudem wurde in größerem Umfang in die Modernisierung investiert.
Die Zahl der an der Ostsee ansässigen Betriebe ist angesichts der anhaltend dramatischen Ertragslage weiterhin rückläufig. Ausgleichszahlungen für Fangausfall stellen derzeit eine nennenswerte Einnahmenkomponente dar. Darüber hinaus werden auch Prämien für die endgültige Stilllegung gewährt. Da nicht abzusehen ist, dass die Bestände sich kurzfristig erholen, sind hier weitere Betriebsaufgaben zu erwarten.