Dossier
Gesunde und nachhaltige Ernährung fördern
Daniela Weible und Johanna Schott | 12.05.2023
Welche Faktoren beeinflussen das individuelle Ernährungsverhalten? Und wie können wir erreichen, dass sich Menschen gesünder, fairer und nachhaltiger ernähren? Das Thünen-Institut geht diesen Fragen auf nationaler und internationaler Ebene nach.
Mehr Nachhaltigkeit in der Ernährung ist sowohl national als auch international ein wichtiges Ziel für eine nachhaltige Entwicklung und für den Umgang mit aktuellen Herausforderungen: ernährungsbedingte Erkrankungen, die die Gesundheitssysteme belasten, unfaire Produktions- und Marktpraktiken, mangelndes Tierwohl oder Umwelt- und Klimabelastungen. Ernährung allgemein, also die Frage, was und wie viel wir essen, aber auch die jeweiligen Ernährungsweisen stellen bedeutende Ansatzpunkte dar, um diesen Herausforderungen entgegenzusteuern, denn sie beeinflussen die Prozesse entlang der gesamten Wertschöpfungskette.
Ziel unserer Forschungsarbeiten ist es, Lösungsansätze zu entwickeln, um Ernährungsweisen national und international nachhaltiger zu gestalten. Das heißt vor allem gesünder, fairer und umweltverträglicher.
Was genau versteht man unter einer nachhaltigen Ernährung?
Eine gesunde und nachhaltige Ernährung bedeutet eine Ernährungsweise, die die Gesundheit und das Wohlbefinden eines Menschen fördert und gleichzeitig die Umwelt nur wenig belastet. Zudem ist sie kulturell akzeptiert, zugänglich, erschwinglich und die konsumierten Lebensmittel sind sicher.
Die Ziele einer gesunden und nachhaltigen Ernährung bestehen darin, ein optimales Wachstum und eine optimale Entwicklung aller Menschen zu erreichen und die Funktionsfähigkeit sowie das körperliche, geistige und soziale Wohlbefinden in allen Lebensphasen für heutige und künftige Generationen zu fördern. Ein weiteres Ziel ist es, zur Prävention von allen Formen der Fehlernährung beizutragen und das Risiko ernährungsbedingter nichtübertragbarer Krankheiten zu verringern. Auch die Erhaltung der biologischen Vielfalt und die Gesundheit des Planeten gilt es zu unterstützen. Eine nachhaltige gesunde Ernährung muss alle Dimensionen der Nachhaltigkeit integrieren, um unbeabsichtigte, schädliche Folgen zu vermeiden.
Quelle: Leitprinzipien der FAO und WHO (2019): Sustainable healthy diets. Guiding principles (auf Englisch).
Ernährungsumgebungen so gestalten, dass Kaufentscheidungen und Ernährungsweisen gesünder und nachhaltiger werden
Angesichts der negativen Umweltauswirkungen der derzeitigen Ernährungssysteme und der steigenden Zahl ernährungsbedingter Krankheiten ist es dringend erforderlich, eine gesunde und umweltverträgliche Ernährung zu fördern. Eine ausgewogene, gesunde und auch nachhaltige Ernährung kann durch eine entsprechende Gestaltung der Ernährungsumgebung unterstützt werden. Dies bedeutet beispielsweise, dass gesunde Lebensmittel für die Verbraucherinnen und Verbraucher leichter verfügbar, erschwinglich und attraktiv sind oder dass Lebensmittel mit hohem Zucker- und/oder Fettgehalt in kleineren Portionen angeboten und möglicherweise höher besteuert werden.
Warum sind Ernährungsumgebungen so wichtig für die Wahl der Lebensmittel und eine nachhaltige Ernährungsweise? Ernährungsumgebungen sind in ein Ernährungssystem eingebettet. Das Ernährungssystem umfasst unter anderem die unterschiedlichen Arten der Lebensmittelherstellung (z.B. industrielle oder handwerkliche Herstellung). Dies schließt die landwirtschaftliche Produktion, den soziokulturellen Rahmen, der sich in verschiedenen Ländern in unterschiedlichen Ernährungstraditionen ausdrückt (z.B. Reis in Asien) sowie politische Gegebenheiten - wie nationale Ernährungspläne in Frankreich und China - oder eine Steuer auf zuckerhaltige Getränke in Großbritannien mit ein.
Die Ernährungsumgebung beinhaltet aus Sicht eines Individuums folgende Elemente:
- Äußere Ernährungsumgebung: die Einkaufsorte, z.B. Discounter, Supermärkte und Wochen-märkte, die Art und Weise, wie Lebensmittel angeboten werden (z.B. Werbung) sowie ihre Verfügbarkeit, Qualität und Nachhaltigkeit.
- Innere Ernährungsumgebung: Präferenzen für bestimmte Lebensmittel bestimmen, ob Menschen unverarbeitete Lebensmittel oder Convenience-Produkte kaufen; ihre Erschwinglichkeit spielt eine Rolle sowie die räumliche Nähe zum Einkaufsort.
- Aus äußerer und innerer Ernährungsumgebung ergeben sich die Beschaffung und der Verzehr von Lebensmitteln, die zu einer bestimmten Ernährungsweise und zum individuellen Gesundheitsstatus beitragen. Um das individuelle Ernährungsverhalten zu verändern, muss bei den verschiedenen Elementen der äußeren und inneren Ernährungsumgebungen angesetzt werden.
Bewertung der Nachhaltigkeit von Ernährungsweisen
Um zu untersuchen, wie nachhaltig eine bestimmte Ernährungsweise ist, müssen nicht nur die einzelnen konsumierten Lebensmittel mengenmäßig in den Blick genommen werden, sondern auch ihre Beschaffungswege (z.B. Supermarkt oder Garten), die Art der Zubereitung und die Frage, ob Produkte tiefgefroren oder frisch und unverarbeitet sind. Dies schließt neben Herstellung, Verarbeitung und Lagerung sämtliche Transportkosten ebenso mit ein wie Lebensmittelverluste und -abfälle.
Letztendlich spielt die gesamte Wertschöpfungskette der verzehrten Lebensmittel eine Rolle. Das heißt, der Ressourceneinsatz sowie die Treibhausgasemissionen von der Produktion bis hin zur Verwertung eines Lebensmittels müssen standortspezifisch bewertet werden. Und auch die Arbeitsbedingungen in der Wertschöpfungskette müssen bei der Bewertung der Nachhaltigkeit von Ernährungsweisen mitbedacht werden.