Dossier
Aktuelle Trends der deutschen Ökobranche
Heike Kuhnert | 18.07.2024
Der ökologische Landbau hat sich von der Graswurzelbewegung zu einer stetig wachsenden Branche innerhalb der Land- und Lebensmittelwirtschaft entwickelt – in Deutschland, der Europäischen Union und weltweit. Der Ökolandbau gilt als besonders ressourcenschonendes Produktionssystem und wird aufgrund dessen seit mehr als 30 Jahren innerhalb der Agrarumweltpolitik finanziell unterschützt. Die Europäische Union, Deutschland und viele weitere Länder streben politisch eine Ausweitung des Ökolandbaus an.
Wo die deutsche Ökobranche 2023 steht
Zum Ende des Jahres 2023 wirtschaftete in Deutschland jeder siebte Landwirtschaftsbetrieb ökologisch, insgesamt 36.680 Ökobetriebe. Dies entspricht einem Anteil an allen deutschen Betrieben von etwa 14 Prozent. Die ökologisch bewirtschaftete landwirtschaftliche Fläche umfasst inzwischen 1,89 Millionen Hektar, anteilig gut 11 Prozent an der landwirtschaftlich genutzten Fläche in Deutschland. Gegenüber 2022 wuchs die Ökolandbaufläche um 29.157 Hektar (knapp 2 Prozent) – deutlich zu wenig, um die Zielsetzung der Bundesregierung „30 Prozent Ökolandbau bis zum Jahr 2030“ zu erreichen.
Das Marktvolumen von Biolebensmitteln in 2023 beträgt 16,08 Milliarden Euro und umfasst die Umsätze im Lebensmitteleinzelhandel, im Naturkosteinzelhandel und in sonstigen Einkaufsstätten, zu denen unter anderem Drogeriemärkte, Reformhäuser, Hofläden und Handwerksbetriebe wie Bäckereien gehören. Der Außer-Haus-Verzehr ist nicht inbegriffen. Gegenüber dem Vorjahr haben sich die Verbraucherausgaben für ökologisch erzeugte Lebensmittel und Getränke wieder positiv entwickelt, sind allerdings vor allem auf Preissteigerungen zurückzuführen.
Der Ökomarkt gehörte zu den Gewinnern der Corona-Pandemie, da er in den Jahren 2020 und 2021 außergewöhnlich hohe, zweistellige Wachstumsraten verzeichnete. In 2022 hatte die erfolgsverwöhnte Ökobranche erstmals seit der Aufzeichnung von Marktdaten einen Umsatzrückgang zu verbuchen. Marktforscher konstatierten für dieses Jahr, dass der Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine, die hohen Inflationsraten und Kostensteigerungen in allen Lebensbereichen die Konsumlaune der Deutschen merklich schwächten. Dies ging auch am Öko-Markt nicht spurlos vorüber. Positiv zu sehen ist, dass die Zugewinne aus den beiden „Corona-Jahren“ in 2022 weitgehend gehalten und in 2023 wieder ausgebaut werden konnten.
Große Lücke zwischen Status quo und politischen Zielen
Aus den aktuellen Zahlen wird deutlich: Trotz stetigen Wachstums ist die Ökobranche Anfang des Jahres 2024 noch weit von den ambitionierten Zielen der Bundesregierung entfernt. Vor diesem Hintergrund stellen sich Fragen: Welches Wachstumspotenzial steckt noch im ökologischen Landbau? Was müsste sich ändern, damit die ökologische Lebensmittelwirtschaft in Deutschland weiter und deutlich stärker in Richtung der politischen Ziele wächst? Welche Bedeutung hat dabei die Entwicklung der ökologischen Erzeugung in europäischen Nachbarländern und weltweit? Ist die ökologische Wirtschaftsweise in Deutschland wettbewerbsfähig? Und wie kann das Innovationspotenzial des Ökolandbaus im Sinne einer „Werkstattfunktion“ für eine nachhaltige Entwicklung der gesamten Land- und Lebensmittelwirtschaft genutzt werden?
Antworten für mehr Wachstum finden
Um diese Fragen zu beantworten, werten wir regelmäßig die verfügbaren Branchendaten aus. Darüber hinaus untersuchen wir spezifische Aspekte der bisherigen Entwicklung des Ökolandbaus, beispielsweise den Umfang und die Gründe einer Rückkehr zur konventionellen Bewirtschaftung oder die agrarstrukturellen Veränderungen im ökologischen Landbau insgesamt und auf einzelbetrieblicher Ebene.
Unsere Analysen zeigen: Die Entwicklung wird in einem erheblichen Maß von der politischen Förderung der ökologischen Wirtschaftsweise und der Nachfrage nach Biolebensmitteln beeinflusst. Ebenso spielen andere Faktoren, wie die Preisentwicklung für konventionelle Erzeugnisse oder die Förderpolitik für erneuerbare Energieträger, eine entscheidende Rolle. Eine weitere substantielle Ausdehnung des ökologischen Landbaus in Deutschland und Europa wird ohne eine kohärente Politik für die Agrar- und Lebensmittelwirtschaft nur schwer zu erreichen sein – es gilt nachzusteuern und neue Wege zu erarbeiten.