Expertise
Ökologische Schweinehaltung
Ralf Bussemas und Lisa Baldinger | 01.06.2022
Die ökologische Schweinehaltung erfolgt in aller Regel ähnlich der konventionellen Landwirtschaft arbeitsteilig. Die meisten Betriebe haben sich auf die Ferkelproduktion oder die Schweinemast spezialisiert. Das „geschlossene System“, in dem Ferkelerzeugung und Mast in ein und demselben Betrieb stattfinden, ist seltener verbreitet.
Die Ferkel, die die Sau zur Welt gebracht hat, werden also vom Ferkelerzeuger bis zu einem Gewicht von rund 27 kg aufgezogen. Danach werden sie an den Mastbetrieb weiterverkauft, der sie bis zu einem Mastendgewicht von rund 120 kg mästet und dann schlachten lässt.
Während die Unterschiede zwischen ökologischer und konventioneller Schweinehaltung hinsichtlich der Rassen eher graduell sind, bestehen bei Tierbesatz, Haltung, Fütterung und Krankheitsbehandlungen doch sehr deutliche Unterschiede, die nachfolgend kurz skizziert werden. Ob die Vorgaben des Ökolandbaus eingehalten werden, wird im Rahmen der Zertifizierung durch mindestens jährlich stattfindende Betriebskontrollen überprüft. Bei Nichtbeachtung können Sanktionen verhängt werden.
Bei den Sauen handelt es sich meistens um Kreuzungstiere aus den Rassen „Deutsches Landschwein“ und „Deutsches Edelschwein“. Bei den Endstufenebern kommen je nach Vermarktungsziel überwiegend die Rassen „Piétrain“ oder seltener „Duroc“ zum Einsatz.
Während die konventionelle Ferkelerzeugung sehr uniform geprägt ist, zeichnet sich die ökologische Ferkelerzeugung durch eine Vielzahl an betriebsindividuellen Lösungen in der Rassenwahl, -herkunft und -kombination aus. Dabei ist die Nutzung sogenannter alter Rassen wie „Angler Sattelschwein“, „Buntes Bentheimer Schwein“ oder „Schwäbisch-Hällisches Schwein“ nicht eine Frage von ökologischer oder konventioneller Haltung, sondern abhängig von den Ansprüchen, die Vermarkter und Verarbeiter an die Schlachtkörperqualität stellen. Die Wahl der Rassen hat also unter Umständen Einfluss auf die Vermarktungsmöglichkeiten.
Die Fleischqualität – insbesondere sensorische Eigenschaften wie Zartheit, Saftigkeit und Aroma – spielt für den Preis, den der Mäster erlösen kann, kaum eine Rolle. Entweder wird das Schwein pauschal bezahlt oder aber nach bestimmten Kriterien, der sogenannten Preismaske, die sich z. B. am Magerfleischanteil des Schlachtkörpers orientiert.
Für die Aufstallung der Schweine gibt es verbindliche Vorgaben. Schweinen, die im Stall gehalten werden, muss Auslauf gewährt werden. Die Böden müssen überwiegend planbefestigt sein und Spaltenboden darf nur in begrenztem Umfang vorhanden sein. Sowohl das Stallinnere als auch der daran angrenzende Auslauf müssen eingestreut sein, was üblicherweise mit Stroh erfolgt.
Das Mindest-Platzangebot zeigt die nachfolgende Tabelle am Beispiel von säugender Sau, Ferkeln und Mastschweinen. Durch diese Flächenvorgaben haben ökologisch gehaltene Schweine deutlich mehr Platz als Schweine, die konventionell gehalten werden.
Stall (m2 je Tier) | Auslauf (m2 je Tier) | |
---|---|---|
Säugende Sau (inkl. Ferkel bis 40 Tage) | 7,5 | 2,5 |
Ferkel älter 40 Tage und max. 30 kg schwer | 0,6 | 0,4 |
Mastschweine bis 50 kg Lebendmasse | 0,8 | 0,6 |
Mastschweine bis 85 kg Lebendmasse | 1,1 | 0,8 |
Mastschweine bis 110 kg Lebendmasse | 1,3 | 1,0 |
Mastschweine über 110 kg Lebendmasse | 1,5 | 1,2 |
Sämtliche Nutztiere und somit auch Schweine dürfen ausschließlich mit ökologisch erzeugten Futtermitteln ernährt werden.
Im Gegensatz zum konventionellen Landbau muss ökologisch gehaltenen Schweinen neben dem Kraftfutter (besser: Konzentratfutter) Rau- bzw. Grundfutter angeboten werden. Sehr oft wird dazu in gesonderten Raufen Stroh vorgelegt. Die beste Wahl ist das in der Fruchtfolge anfallende Kleegras in Form von Silage.
Bei der Fütterung mit Konzentratfutter müssen sämtliche Rationsbestandteile wie z. B. Getreide, Körnerleguminosen oder deren Verarbeitungsprodukte ökologischer Herkunft sein. Dabei besteht das größte Problem in der sogenannten Eiweißlücke (Proteinlücke). Darunter ist der Mangel an Rationskomponenten ökologischer Herkunft mit ausreichend essenziellen Aminosäuren zu verstehen. Diese sogenannten erst- und zweitlimitierenden Aminosäuren (allen voran Lysin und Methionin) sind essentielle Bausteine für gesunde Stoffwechselabläufe und den körpereigenen Proteinansatz.
Ein entsprechender Mangel kann in der Ferkelaufzucht zu Wachstumsdepressionen und Krankheitsanfälligkeit bis hin zum Tod führen. Bei Mastschweinen dagegen ist nur die körpereigene Proteinsynthese herabgesetzt, was zu etwas fetteren Schweinen führt. So bewegt sich der Muskelfleischanteil in der konventionellen Mast ungefähr zwischen 58 und 60 %, während unter ökologischen Bedingungen üblicherweise rund 54 bis 56 % erreicht werden.
Zur Überwindung der Proteinlücke sind Biobetrieben, basierend auf einer befristeten Ausnahmeregelung derzeit bis Ende 2025 in der Futterration für Ferkel bis 35 kg noch max. 5 % Eiweißfuttermittel nicht-ökologischer Herkunft erlaubt; in der Regel handelt es sich dabei um Kartoffeleiweiß.
Grundsätzlich besteht die Pflicht, erkrankte Tiere sofort wirksam zu behandeln. Während z. B. Impfungen und Entwurmungen vollumfänglich erlaubt sind, unterliegt der Einsatz von Antibiotika zu kurativen Zwecken sehr strengen Regelungen.
Bei Tieren, die über ein Jahr alt werden, darf jährlich maximal dreimal eine Antibiotikabehandlung durchgeführt werden. Bei Tieren, die unter einem Jahr alt sind, darf höchstens eine Krankheit antibiotisch behandelt werden. Wenn aus Behandlungsgründen diese Mindestzahl überschritten werden muss, verlieren die betroffenen Tiere ihren Öko-Status.
Im Sinne des Tierwohls sind routinemäßige Manipulationen wie das Zähneschleifen bei Saugferkeln zur Schonung des Gesäuges der Muttersau und das Kupieren von Schwänzen als vorbeugende Maßnahme gegen Schwanzbeißen in der ökologischen Tierhaltung grundsätzlich verboten. Nur in Einzelfällen dürfen solche Maßnahmen nach individueller tierärztlicher Indikation und Genehmigung durch die Kontrollstelle durchgeführt werden.
An dieser Stelle soll exemplarisch auf einen züchterischen Aspekt eingegangen werden: Bei Engpässen im Angebot von Jungsauen aus ökologischer Haltung erlaubt die EU-Ökoverordnung derzeit noch den Zukauf von Tieren konventioneller Herkunft. Allerdings dürfen diese nicht schwerer als maximal 35 kg sein. Diese Regelung wird aber auslaufen.
Zwar gibt es für die Organisation einer eigenen Nachzucht von Jungsauen für den Ferkelerzeuger praxisreife Empfehlungen, jedoch hat diese Methode den Nachteil, dass der züchterische Fortschritt nur zur Hälfte genutzt werden kann. Denn dieser kommt bei der Anpaarung einer Muttersau, die im eigenen Ferkelbetrieb selektiert wurde, nur über (das Sperma) der Vaterseite. Als zusätzliche Option sollten daher ökologisch wirtschaftende Jungsauenvermehrer in kommerzielle Zuchtunternehmen integriert werden. Dort aufgezogene Jungsauen vereinen in sich den vollen elterlichen Zuchtfortschritt aus der Mutter- und Vaterseite der organisatorisch vorgelagerten Zuchtstufe.
Bis sich ein solches System etabliert hat, ist die Beibehaltung der Ausnahmeregelung zum Tierzukauf aus züchterischer Sicht sinnvoll. Dennoch muss sie mit einem eindeutigen zeitlichen Ausstiegsszenario hinterlegt werden, da sonst ein entscheidender Anreiz fehlt, eine spezielle ökologische Jungsauenvermehrung zu organisieren.